„Groovy.“ oder Was wir von „Tanz der Teufel“ lernen können

Heute ist unser Final Girl ein Final Boy: Ash Williams aus Tanz der Teufel, gespielt von Bruce Campbell.

Der erste Teil ist über 40 Jahre alt, aus dem Jahr 1981.

Er war in Deutschland indiziert, verboten, beschlagnahmt und jetzt ist er ein absoluter Horror-Klassiker.

Als Kind habe ich das Cover in einer Videothek gesehen und wollte UNBEDINGT auch den Film sehen. Durfte ich nicht, natürlich nicht.

Aber offensichtlich war es Liebe auf den ersten Blick und daran hat sich nichts geändert.

Dabei ist der Film, objektiv betrachtet, gar nicht sooo toll.

Was den Film besonders macht, ist, dass er von zwei Jungs gemacht wurde. Ich sage Jungs, auch wenn sie Anfang 20 waren, aber Sam Raimi sah aus wie 15, 16 und er und Bruce Campbell waren einfach irgendwie noch … Jungs.

Einer der „Jungs“, Sam Raimi, hat übrigens Jahre später die 3 Spider-Man Filme mit Tobey Maguire gemacht. Nur so nebenbei.

Damals jedenfalls hatten sie weder Erfahrung noch Geld noch irgendetwas, woraus man einen Klassiker hätte basteln können

Was sie aber hatten, war eine Vision – und die Bereitschaft, für diese Vision zu tun, was sie tun konnten. Ohne Rücksicht auf so Feinheiten wie Komfortzone oder Bequemlichkeit.

Für Stuntleute z. B. war kaum Geld übrig. Also musste Bruce Campbell fast alles selbst machen (zumindest in Teil 1).

Wenn du ihn also im Film hinken siehst, liegt das nicht nur an seiner Schauspielkunst, sondern auch daran, dass er sich tatsächlich einen Knöchel verstaucht hat, weil er gefallen ist.

An anderer Stelle fuhr Sam Raimi mit einer Kamera auf einem Motorrad hinter Bruce her, fiel auf ihn und brach ihm ein paar Rippen.
Ein Kameramann schlug ihm versehentlich mit der Kamera ein paar Zähne aus.

Sam Raimi rannte in einen Baum, verletzte sich, wollte aber weitermachen … bis er irgendwann einfach umkippte.

Falls ich ein paar Fakten nicht 100% korrekt wiedergebe, korrigiere mich gerne.

Ich erzähle das größtenteils aus der Erinnerung, weil ich diese Geschichte immer geliebt habe.


Was können wir aus „Tanz der Teufel“ lernen?


1. Eine Vision alleine ist NICHTS

Die Vision von dem Film, unter den Voraussetzungen, war so gut wie unmöglich. Aber irgendwie haben die zwei Jungs es geschafft, einen Plan zu machen, wie es sich DOCH umsetzen lässt und dann ALLES Notwendige in die Umsetzung des Plans gesteckt.
Eine Vision allein ist nichts.
Die Vision braucht einen Plan, und wir müssen bereit sein, ihn umsetzen.
Ohne den enormen persönlichen Einsatz wäre Tanz der Teufel nie entstanden – und all das, was daraus noch folgen sollte, auch nicht.


2. Große Visionen brauchen großen Einsatz

Eine große Vision lässt sich nicht bequem beim Binge Watching vom Sofa aus realisieren.
Ich war schon damals sehr beeindruckt davon, wie Bruce Campbell sich durch die ersten zwei Teile gekämpft hat – immer verschrammter, immer dreckiger, immer blutiger, immer entschlossener – und es beeindruckt mich auch heute noch.
Und weil ich wusste, er macht vieles wirklich selbst, habe ich noch viel mehr mit ihm gelitten und mit ihm gebangt.
Hätte Bruce Campbell seinen Einsatz nicht so konsequent durchgezogen, wäre Tanz der Teufel gescheitert. Punkt.

Hier ein (unblutiger) Ausschnitt von einem Stunt.


3. Am Ende ist immer die Energie drin, die wir reingesteckt haben

Deshalb liebe ich den Film immer noch:
Wenn ich ihn sehe, dann sehe ich, wie viel Freude, Leidenschaft, Hingabe, Liebe zum Erschaffen und Begeisterung darin steckt.
Das ist bis heute spürbar, sogar Jahrzehnte später noch in der Serie Ash vs. Evil Dead.
Als die Serie rauskam hatte ich schon seit Jahren keine Horrorfilme mehr gesehen (oder kaum), aber ich konnte unmöglich Bruce Campbell als Ash Williams widerstehen: immer noch die Freude, die Selbstironie, der makabere Humor. Einmal groovy, immer groovy.
Ich kann einfach nicht anders, als mich mitzufreuen.


4. Nicht alles, was eigentlich gut ist, bleibt gut

Das zeigt sich in einem wichtigen Teil der Handlung:
In Tanz der Teufel 2 ist Ashs Hand vom Bösen besessen und versucht, ihn umzubringen.
Ash reagiert wie ein Final Boy das nun mal tut – er macht, was nötig ist, sofort, in dem Moment, in dem es nötig wird.
Er nimmt die Kettensäge und sägt die Hand ab. Ein Problem weniger.
Die radikale Trennung von etwas ehemals Gutem war eine schmerzhafte, aber notwendige Entscheidung. Das macht Final Girls und Boys aus: nicht an Entscheidungen stundenlang, tagelang rumeiern, weil … das war ja aber mal ganz ok … und … soll ich wirklich darauf verzichten … und … vielleicht brauche ich es noch … und … tot. Kein Final Girl, kein Final Boy.


5. Nicht alles, was weh tut, ist schlecht

Wir denken oft: „Das hat wehgetan, das muss ich in Zukunft vermeiden. Noch so eine Erfahrung will ich nicht machen.“
Ash nutzt das, was ihn verletzt hat.
Er nimmt genau die Kettensäge, mit der er seine Hand abgeschnitten hat, baut sie an seinen Arm als Handersatz und macht daraus seine wichtigste Waffe. Er verwandelt das, was ihn hätte zerstören können (wenn er verblutet wäre z.B.), in eine seiner größten Stärken.
Damit erschafft er nicht nur einen Kulthelden, sondern auch eine der ikonischsten Szenen der Filmgeschichte.
Und dann sagt er nur: Groovy.
Das ist einfach nur cool. So cool.

Hier kannst du die „Groovy“ Szene sehen.

Und hier siehst du die blutigere Version inkl. Hand absägen


6. Das Ego hinten anstellen kann richtig viel bewirken

Bruce Campbell selbst ist ganz anders als Ash Williams.
Er ist ordinierter Pastor und kommt in Interviews zwar humorvoll, aber definitiv um Welten konservativer als seine Paraderolle rüber. Seiner Meinung nach ist Ash ein Idiot.
Aber er war sich nie zu schade, ihn zu spielen. Er hat ihn kreiert.
Und das so überzeugend, dass man glauben könnte, Bruce und Ash seien sich ähnlich. Manche Schauspieler wirken in jedem Film gleich und noch dazu genauso, wie auch außerhalb der Filme, z.B. in Interviews.
Bruce Campbell dagegen hat eine Figur erschaffen, die mit ihm nicht viel gemein hat – DAS ist für mich Kunst.
Ich dachte immer, er würde irgendwann zu den supererfolgreichen, superbekannten Schauspielern gehören.
Talent, Hingabe, Disziplin, Beharrlichkeit und hey, er war ein schöner Mann, das alles zusammen reicht ja wohl!
Aber das ist nie passiert. Stattdessen ist Bruce Campbell selbst eine Kultfigur geworden. Vielleicht war es ihm lieber so.


7. „Ich brauche erst noch …“ ist die schlechteste Ausrede aller Zeiten

Klar, Tanz der Teufel ist Trash, irgendwie … B-Movie halt, weil kein Geld da war, keine „Profis“, keine Stuntleute, keine umfangreiche Erfahrung.

TROTZDEM ist es ein Kultfilm geworden.

TROTZDEM gab es zwei Fortsetzungen und MEHR ALS 30 JAHRE SPÄTER!! eine erfolgreiche Serie mit 3 Staffeln.

In dem Film steckt mehr Liebe, Mut und Erfindungsgeist, als in so manchen Blockbustern.
Das lässt sich auch mit „perfekten“ Bedingungen nicht so einfach nachmachen.

Bedingungen, die wir so gerne vorschieben, wenn wir uns nicht trauen, etwas Neues anzufangen.

Bedingungen wie:

  • ein „richtiger“ Platz zum Malen
  • ein eigenes Arbeitszimmer zum Schreiben
  • vollkommene Ruhe und Stille zum Meditieren
  • mehr Zeit, eine Putzhilfe, weniger Arbeit, mehr Freizeit blablabla …

Wer anfangen will, fängt an. Ja, so einfach ist es.

Wir fangen an mit dem, was wir haben, egal, wie wenig es ist, oder wir fangen gar nicht an.

Stephen King z. B. hatte nicht immer viel Geld und ein großes Haus mit Arbeitszimmer. Er hatte einen Vollzeitjob als Englischlehrer und eine kleine, gar nicht stille Ecke, in einer engen Wohnung mit Frau und kleinen Kindern. Ich bin froh, dass er nicht auf ideale Bedingungen gewartet hat … auf die er wahrscheinlich heute noch warten würde, wenn er sie nicht selbst erschaffen hätte.


Fazit:

Nichts, keine noch so tolle Bedingung, schlägt Vision, Planung und Umsetzung in Verbindung mit Hingabe, Liebe, Freude, Begeisterung und dem Mut, zu tun, was nötig ist, wenn es notwendig ist.

Wenn das alles drin ist, kann aus einem Wort eine Ikone entstehen:
Groovy.


Meine Film-Empfehlung

Wenn du noch keinen der Filme gesehen hast:

  • Der erste Teil ist eher für Horrorfans, weil es eben einer DER Klassiker ist. Wenn du die aus Horror nicht viel machst, wirst du daran wahrscheinlich nicht viel Spaß haben.
  • Wenn du erst mal den Zeh eintauchen möchtest, fang’ mit Teil 3 an, Armee der Finsternis. Der ist lockerer, lustiger und weniger brutal.
  • MEIN Favorit ist ganz klar Tanz der Teufel 2. Bruce Campbell in Höchstform.